Antje Schrupp im Netz

Durch Arbeit zur Emanzipation?

Weibliche Freiheit in Zeiten sozialer Härte und flexibler Arbeitsmärkte (Stichwortsammlung)

Arbeit war schon immer Thema der Frauenbewegung

  • der Zugang zur Erwerbsarbeit war neben dem Wahlrecht das 2. große Thema der Frauenbewegung im 19. Jahrhundert, daher ein kurzer historischer Rückblick

  • Frauen haben immer gearbeitet, wenn auch geschlechtsspezifisch getrennt

  • Arbeit wurde nie individuell verstanden, sondern auf soziale Gruppe: Geldverdienen, Hausarbeit, Subsistenzarbeit, »Konsumptionsarbeit«, Kulturarbeit (Feste) – all dies zusammen macht den »Wohlstand« einer Familie

  • Wirtschaft ist Sorge für die Bedürfnisse, nicht der kleine Ausschnitt der »offiziellen« Wirtschaft. Also alles Tätigsein der Menschen, das dem Leben der Menschen dient und es ermöglicht und nicht nur, was ins Bruttosozialprodukt einfließt.

  • Frauen stehen im Zentrum der Wirtschaft, nicht an ihrem Rand

  • Trennung von Wohnung und Arbeit mit der Industrialisierung und größere Bedeutung von Geld bewirkte Entstehung dessen, was wir heute »Erwerbsarbeit« nennen

  • Frauen waren zuerst in den Fabriken, Männer blieben im Handwerk. Erst als dieser Arbeitsplätze attraktiv wurden, gründete sich gewerkschaftlicher Antifeminismus

  • schlechtere Bezahlung von Frauen wegen »Bedürfnislohn«, bei Umstieg auf »Leistungslohn« blieben die Löhne wegen geschlechtsspezifische Arbeitsteilung unterschiedlich

  • Kampf der Frauen um Zugang zu den besser bezahlten Männerarbeiten und um gleiche Bezahlung

  • gleichzeitig entstand die Ideologie der separate Spheres als Reaktion auf die Aufklärung und die Gleichheit der Männer. Das bürgerliche Subjekt konstituierte sich durch den Ausschluss der Frauen als männliches.

  • Unterschied zwischen bürgerlichen und proletarischen Frauen (Fabrikarbeit war besser bezahlt als Näharbeit, die Frage, ob die Frau arbeitet oder nicht, war eine Statusfrage.) D.h. die bürgerlichen Männer und die proletarischen Männer unterschieden sich durch die Art ihrer Arbeit, die bürgerlichen Frauen und die proletarischen Frauen unterschieden sich in der Frage, ob sie arbeiteten oder nicht.

  • »Arbeiteraristokratie« wollte sich Status verschaffen, indem ihre Frauen nicht arbeiten – Hausarbeit blieb ihnen, weil dies laut Symbolik nicht mehr als »richtige« Arbeit galt

  • aber auch widerständiges Moment: Frauen sollten der Logik des Kapitalismus entzogen bleiben (Hüterinnen der proletarischen, nicht bürgerlichen Kultur, die auch weniger krasse Geschlechterdualismen hatte, dies war ein ursprünglich bürgerliches Modell – die Proletarierin war keine »schwache« Frau, und weniger individualisiert war, gemeinsames Wirtschaften auch in größeren Zusammenhängen, die Kinder anderer versorgen, Genossenschaften usw.)

  • Frauen haben wirtschaftlich verschiedene, sogar gegensätzliche Interessen (schon immer)

  • Klassengegensätze waren hier nicht so, wie bei den Männern, bürgerliche, verarmte Frauen waren materiell schlechter gestellt als Proletarierinnen, weil sie nicht in die Fabrik oder Prostitution konnten

  • Ihr Blick war nicht individuell, sondern auch innerhalb der Arbeiterinnen auf die soziale Gruppe bezogen (Bäuerinnen, Frauen von Bergwerkarbeitern/viel Reproduktionsarbeit, Textilarbeiterinnen)

  • Streit zwischen Frauenrechtsbewegung und Arbeiterbewegung

Wirtschaft hat heute Interesse an Frauenarbeit

  • Individualisierter Blick auf die Wirtschaft, auch Folge der Emanzipation

  • Reste des »Bedürfnislohnes« wurden von Staat übernommen (Sozialversicherungen, Ehegattensplitting)

  • Globalisierung: Ungelernte Tätigkeiten werden ins Ausland verlagert oder maschinell erledigt

  • nicht Massen an Arbeitskraft, sondern wenige qualifizierte werden gebraucht

  • gleichzeitig Frauenbildung enorme Fortschritte, Frauen haben sehr gute Qualifikationen

  • der Wirtschaft ist es egal, ob Frauen oder Männer, sie wollen die Leistungsstärksten

  • Schere nicht zwischen Frauen und Männern, sondern zwischen Qualifizierten und Unqualifizierten

  • Feminismus als Argument zur Durchsetzung des Neoliberalismus (auch schon altes Thema) – Streikbrecherinnen im 19. Jhd.

  • was ist mit den Menschen, die die Wirtschaft nicht braucht? (Leistungsschwache, Kranke, Alte?)

Das ungelöste Problem der Fürsorgearbeit

  • »getrennte Sphären« und geschlechtliche Arbeitsteilung hatten einen Sinn, da Kapitalismus alleine nicht funktioniert

  • früher über den »Ernährerlohn« waren diese Arbeiten mit abgegolten

  • Problem, dass die Wirtschaftswissenschaften, die gleichzeitig mit der Industrialisierung entstanden sind, immer nur mit diesem Teil der Wirtschaft beschäftigt haben, der andere Teil galt ihnen als »privat«, »natürlich«, der bewussten Organisation entzogen. Erst die Frauenbewegung hat das thematisiert, und inzwischen steht es auch auf der offiziellen politischen Agenda

  • richtig ist, dass man die Maßstäbe des einen Bereiches nicht so ohne weiteres auch auf den anderen anwenden kann

  • Emanzipation hatte zur Folge, dass nicht klar ist, wer jetzt für diese Arbeiten zuständig ist

  • Frauen lösen dieses Problem sozusagen »unter der Hand«, unter immer schwierigeren Bedingungen, da zunehmend Ausgleich dafür wegfällt (Unterhaltsrecht usw.)

  • nicht darauf verlassen, dass die Männer diese Arbeit übernehmen, außerdem wäre da Problem nicht gelöst, wenn statt Frauen Männer benachteiligt werden

  • sinkende Qualität, wenn man Fürsorgearbeit marktwirtschaftlich organisiert

  • prekäre Arbeitsbedingungen von Migrantinnen

  • Ihr Engagement in diesem Bereich verschafft Frauen Nachteile auf dem Erwerbsarbeitsmarkt, ein Problem, das nicht »wegzuorganisieren« ist, sondern auf das auch eine wirtschaftspolitische Lösung gefunden werden muss

  • statt zu fragen, warum Männer diese Arbeit nicht tun – was leicht zu beantworten ist, wenn diese Arbeit abgewertet ist und aber weiter andere Werte (Autonomie) gelten – die Frage stellen, warum Frauen das tun. Verantwortung, Werte, Maßstäbe

  • das Problem lässt sich nicht lösen ohne tiefgreifende Veränderung des kulturellen Selbstverständnisses (Fineman, Autonomy Myth), Weltsicht der Freiheit in Bezogenheit usw.

Arbeit und Einkommen trennen

  • Angesichts der heutigen Organisation der Wirtschaft kann Erwerbsarbeit nicht mehr die maßgebliche Einkommensquelle sein

  • Und die Wirtschaft ist auch nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Menschen alle zu befriedigen, denn nicht alle davon sind »produktiv« oder auch nur »reproduktiv«

  • Grundeinkommen als ergänzendes Mittel, es löst nicht alle Probleme. Zum Beispiel darf es nicht wieder zu einer Verschleierung der Arbeit von Frauen kommen

  • Mindestlohn: Problem der Arbeitslosigkeit, Fürsorgeproblem erst recht nicht gelöst weg. Teilzeitarbeit, hält an der symbolischen Verknüpfung von Erwerbsarbeit und Einkommen fest bzw. verstärkt sie sogar noch »Man muss von seiner Arbeit leben können«. Stattdessen Fineman: »We all live subsidized lives«

  • Hausfrauen beweisen, dass man nicht nur wegen des Geldes arbeitet (Wichtigkeit der Sinn-Frage)

  • nicht wirtschaftliche, sondern kulturelle Frage, Begehren und Notwendigkeit, Dorothee »Arbeit neu denken«

Kinderbetreuungs-Debatte verschleiert Skepsis von Frauen

  • auch Frauen, die keine Kinder haben, fühlen sich in dieser Arbeitswelt nicht zuhause

  • starker Assimilierungsdruck auf die Frauen, die Kultur der Erwerbsarbeit ist weitgehend männlich geblieben

  • Hinter der ungleichen Einkommensverteilung steckt auch eine politische Frage, Beispiel der Verkäuferinnen und René Obermann

  • Frauen haben andere Ansprüche an Arbeit, viele Studien beweisen das (legen mehr Wert auf gute Beziehungen und Sinn der Arbeit, reagieren nicht so automatisch auf Geld- und Macht- und Statusanreize)

  • Differenz ist aber nicht mehr strikt an das Geschlecht gebunden, auch Männer sind mit dieser Art des Arbeitens unzufrieden, andererseits gibt es auch Frauen, die sich dort wohl fühlen

  • keine naturgegebene Differenz, sondern eine kulturell entstandene. Die Frage ist, was wir daraus machen, ob wir dies nutzen

Frauen nicht unter dem Aspekt der Nützlichkeit betrachten

  • nicht über die Defizite der Frauen sprechen, sondern über die der Wirtschaft

-Konventionalität:War bei Beauvoir die Hausarbeit, im Privaten hat die Frauenbewegung Freiheit erkämpft, aber die Konventionalität droht nun im Beruf

  • Weibliche Freiheit hängt nicht von äußeren Umständen ab (Beauvoir), Frauen haben sich schon immer zur Welt und zur Politik geäußert. Es kommt darauf an, die zu hören und wichtig zu nehmen (auch als Forderung an uns selbst…)

  • nicht die Gleichheit mit den Männern als Maßstab für Qualität nehmen, sondern fragen, warum Frauen das tun, was sie tun

  • Frauen sind reich, Reichtum nicht an Geld messbar

  • Es gibt nicht den richtigen Weg, sondern Politik ist verhandeln über die Wünsche. Die Wirtschaft wieder in den Bereich des Politischen holen (wie es die Frauen schon tun)

  • Es gibt nicht die eine »richtige« Lösung, sondern die Frage ist: Was wollen wir, und welchen Preis sind wir bereit, dafür zu bezahlen

  • Beispiel Quote in Aufsichtsräten in Norwegen: Es funktioniert, und den Unternehmen geht es besser. Aber das Argument darf auch nicht überstrapaziert werden, denn dann sind wir wieder bei der Nützlichkeit

  • Beispiel Erziehungsgeld, das soziale Unterschiede vergrößert

  • Beispiel Mindestlohn, der nur denen was hilft, die Arbeit haben und der der Illusion dient, Erwerbsarbeit könnte bestimmende Organisationsform bleiben

  • Wie und was wollen wir arbeiten, auf die Erfahrungen von Frauen hören (Krankenschwestern, Erzieherinnen), nicht durch geschlechtsneutrale Sprache verschleiern

Fachtagung des DGB-Bildungswerkes in Gelsenkirchen, 29.1.2008