Antje Schrupp im Netz

Politik der Frauen gegen Zukunftsangst ?

Ein Interview zu dem Buch »Methusalems Mütter«

Von Juliane Brumberg

Das neue Buch von Dr. Antje Schrupp erhebt schon durch seinen Titel Methusalems Mütter, Chancen des demografischen Wandels, den Anspruch, eine Antwort auf das 2004 erschienene »Methusalem-Komplott« von Frank Schirrmacher sein zu wollen.

** efi: ** Schon im allerersten Absatz seines Buches schreibt Frank Schirrmacher vom »Krieg der Generationen« und bedient sich auch ansonsten in auffälliger Weise einer militaristischen Sprache. Er schürt auf diese Weise die Angst vor dem Leben in einer Gesellschaft, in der sehr viel mehr alte Menschen leben, als heute. Hat Dir dieses Buch auch Angst gemacht?

Antje Schrupp:Nein, ich war eher ein wenig amüsiert, dass da Themen, die wir in der Frauenbewegung schon so lange diskutieren, als angeblich ganz neue Erkenntnisse präsentiert werden. Also dass es Kinder gibt, um die man sich kümmern muss, dass es kranke Menschen gibt, die Hilfe brauchen, und dass noch überhaupt nicht klar ist, wer das in Zukunft machen soll und zu welchen Bedingungen. Schirrmacher hat ja Recht mit seiner Mahnung, dass sich kulturell bei uns vieles ändern muss, wenn der Anteil alter Menschen zunimmt. Im Feminismus gibt es dazu aber schon jede Menge Ideen und Studien. Simone de Beauvoir und Betty Friedan haben bereits vor Jahrzehnten dicke Bücher über das Alter geschrieben. Das meiste, was Schirrmacher jetzt neu entdeckt haben will, kann man da bereits nachlesen. Ärgerlich finde ich auch, dass im Wirtschaftsteil der FAZ, deren Mitherausgeber Schirrmacher ja ist, weiterhin ganz ungebrochen das Lied der Eigenverantwortung und der Leistungsgesellschaft gesungen wird. Wenn sich aber unser ganzes Leben um beruflichen Erfolg drehen soll, kommt eben die Fürsorgearbeit ebenso zu kurz wie die Suche nach einem Lebenssinn, der über Profitdenken hinausgeht. So einfach ist das. Eine Antwort dafür hat Schirrmacher nicht.

** efi: ** Könnte es sein, dass es eine typisch männliche Sichtweise ist, auf demografische Veränderungen mit Angst zu reagieren?

Antje Schrupp:In gewisser Weise schon, weil die Themen, die mit der Demografiefrage zusammenhängen, ja historisch in die weibliche Sphäre fielen: Kindererziehung, Beziehungspflege, Sorge um Alte und Kranke. In den Männerdomainen Wirtschaft und Politik hat man sich damit nicht beschäftigt, sondern verließ sich darauf, dass die Frauen das irgendwie im Privaten regeln. In Zeiten der Emanzipation funktioniert das aber nicht mehr, weil die meisten Frauen berufstätig sind und ja auch sein müssen. Wir brauchen also andere Lösungen. Wie gesagt, die Frauenbewegung hat das schon vor dreißig Jahren thematisiert. Schön, dass es jetzt auch anderswo auffällt.

** efi: ** Woher kommt es, dass Du den Frauen in der älter werdenden Gesellschaft soviel positives Potential zutraust?

Antje Schrupp:Viele Probleme, die mit dem Alter heute verbunden werden, sind eigentlich Symptome des Patriarchats, also der »Vaterherrschaft«: Wenn Alte über Junge herrschen, wollen die Jungen sie natürlich irgendwann vom Thron stürzen, die Alten wehren sich, und schon haben wir den Kampf der Generationen. In nachpatriarchalen Zeiten wird dieser Konflikt sich entschärfen. Die Lebensläufe von Frauen sind ja schon immer viel flexibler, haben Höhen und Tiefen, sind weniger über den Beruf definiert und von Statusdenken geprägt. Hausfrauen gingen noch nie in Rente. Dass Frauen das Alter besser bewältigen, sieht man ja auch an der deutlich längeren Lebenserwartung, die keine biologischen, sondern nur soziale Ursachen hat. Und noch etwas macht mich optimistisch: Dass auch jüngere Frauen der Haus- und Fürsorgearbeit immer noch großen Raum in ihrem Leben geben, obwohl sie das, der Emanzipation sei Dank, schon längst nicht mehr müssten. Warum eigentlich? Was motiviert sie dazu? Solche Fragen können uns bei der notwendigen Umgestaltung unserer Gesellschaft nutzen. Allerdings nicht so, dass die Frauen weiterhin allein für diesen Bereich zuständig sind, sondern so, dass sie mitreden und gehört werden müssen, wenn es zum Beispiel um den Wert oder die Qualität dieser Arbeit geht und darum, wie sie in Zukunft organisiert werden kann. Sie sind dafür Expertinnen, egal ob sie sich als Mütter und Hausfrauen damit auskennen oder als Krankenschwestern, Erzieherinnen, Altenpflegerinnen – das sind ja alles Berufe mit einem Frauenanteil von über 90 Prozent.

** efi: ** Wie sieht es mit Deinen eigenen Zukunftsängsten aus? Hast Du welche?

Antje Schrupp:Ich persönlich werde es im Alter wahrscheinlich relativ gut haben, so hoffe ich zumindest, weil ich genug Geld verdiene, um finanziell vorsorgen zu können, und weil ich weiß, wie wichtig Beziehungen und sinnvolles Tätigsein im Alter ist und entsprechend mein Leben ausrichte. Aber natürlich ist die Zukunft immer ungewiss, ich kann ja zum Beispiel morgen einen Unfall haben und dann pflegebedürftig sein. Das Leben lässt sich nicht risikofrei planen und schon gar nicht über mehrere Jahrzehnte, und es wäre also Unsinn, es zu versuchen. Was mir wirklich Angst macht ist, dass unsere Gesellschaft sozial immer ungerechter wird. Wir steuern auf eine massive Altersarmut in zwanzig, dreißig Jahren zu. Mein Optimismus, dass uns bis dahin ein kultureller Wandel gelingt, ist leider nur eine Hoffnung und keine Prognose. Derzeit sieht es eher so aus, als solle allein die Marktwirtschaft das Heil bringen. Pflegedienste, Krankenhäuser, Kindergärten werden einer rein betriebswirtschaftlichen Logik unterworfen, was der Qualität schadet und zu noch niedrigeren Löhnen in diesen Bereichen führt. Einen größer werdenden Anteil unserer Haus- und Fürsorgearbeit übertragen wir Migrantinnen, die oft unter illegalen und ziemlich problematischen Bedingungen arbeiten. Leider wird auch der Feminismus für diesen neoliberalen Umbau instrumentalisiert: Es gibt Krippenplätze und Elterngeld, damit gut qualifizierte Frauen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen können. Dagegen ist natürlich überhaupt nichts zu sagen. Was passiert aber mit den weniger gut Qualifizierten, egal ob Frauen oder Männer? Ich glaube, es kommen noch schwere soziale Konflikte auf uns zu. Das hat aber alles nichts mit der Demografie zu tun, sondern mit einem ungerechten Wirtschafts-, Bildungs- und Sozialsystem.

** efi ** *: Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: In diesem Heft geht es um Angst; wovor hast Du Angst und wie gehst Du mit dieser Angst um?*

Antje Schrupp:Ich habe Angst meist in sehr konkreten Situationen: Wenn mein kleiner Neffe zu nah an die befahrene Straße rennt oder wenn meine Ärztin sagt, der Befund ist unklar, wir müssen noch ein paar Tests machen. Diffuse Ängste ohne einen konkreten Anlass habe ich selten. Ich mache meine Sachen so gut wie möglich, und den Rest nehme ich hin, wie’s kommt. Simone Weil hat einmal geschrieben, man soll sich nur mit den Schwierigkeiten einlassen, die sich wirklich stellen. Ich finde, das ist ein sehr guter Rat, und natürlich erst recht in Zeiten, wo Angstmacherei zum lukrativen Geschäft geworden ist.

in: efi (evangelische frauen information für bayern) 4/2007